Böhme: Kostenfreien ÖPNV schrittweise einführen – solidarische Finanzierung realistisch / PR-Gag der Bundesregierung nutzlos
Zum Vorschlag der Bundesregierung, öffentliche Verkehrsmittel kostenfrei anzubieten, erklärt Marco Böhme, Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag für Klimaschutz und Mobilität:
Es gibt bisher weder Finanzierungskonzept noch konkrete Vorschläge. Wir haben uns mit der Frage eines solidarisch finanzierten ÖPNV schon vor Jahren beschäftigt und festgestellt, dass dies die beste Möglichkeit ist, den motorisierten Individualverkehr drastisch zu reduzieren. Im Kern geht es um eine Flatrate für Bus und Bahn, die allen Bewohnern einer Stadt ermöglicht, fahrscheinfrei den ÖPNV zu nutzen. Die Kosten am Beispiel Leipzig wären dann nicht mehr über 60 € für eine Monatskarte, sondern eine Abgabe aller von ca. 20 € (sozial ausdifferenziert).
Es sollen alle Menschen einer Stadt eine Nahverkehrsabgabe zahlen, die deutlich günstiger ist, als der individuelle Erwerb von Einzeltickets. Das Ganze nennt man im Fachjargon Nutznießer-Finanzierung und wurde auch schon vom MDV und anderen Verkehrsverbünden geprüft. Alle Bewohner einer Stadt profitieren davon, wenn möglichst viele Menschen den ÖPNV nutzen. Durch weniger Autos auf den Straßen haben nicht nur die Anwohner etwas davon, wenn es weniger Lärm, Abgase und Platzverschwendung gibt, sondern auch die Autofahrer selbst: freiere Straßen. Deswegen sollen auch alle in die solidarische Finanzierung einbezogen werden.
Das Ganze kann nicht von heute auf morgen, sondern muss gestaffelt eingeführt werden, damit notwendige ÖPNV-Infrastruktur ausgebaut werden kann. Das kann z.B. bedeuten, dass erst eine Abgabe von 5 € pro Monat verlangt und der ÖPNV am Wochenende kostenfrei genutzt wird. Durch die Anschubfinanzierung werden neue Fahrzeuge und Infrastrukturmaßnahmen finanziert. Im zweiten Schritt beträgt die Abgabe 10 €, alle Menschen können ab 19 Uhr kostenfrei fahren. Je nach Ausbaustand wird die Freifahrtberechtigung ausgeweitet und endet schließlich beim komplett nutzbaren fahrscheinfreien ÖPNV.
Auch sollten Gäste der Stadt durch eine Übernachtungspauschale (wie Kur- oder Kulturtaxe) sowie große Wirtschaftsbetriebe, die Pendelverkehr verursachen, in die Finanzierung einbezogen werden. Letztlich ist das solidarische Finanzierungsmodell nichts anderes als das, was die Studierenden übers Semesterticket praktizieren. Leider ist dies in Sachsen nicht möglich, weil die Kommunen keine solche Abgabe einführen dürfen. Daher wollen wir das kommunale Abgabengesetz ändern. Die Vorschläge wurden bei einer Fraktionsveranstaltung in Leipzig mit Experten diskutiert. Wir erreichten, dass dieses Modell Eingang in den Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission des Freistaates Sachsen (Nutznießer-Finanzierung) gefunden hat.
Schreibe einen Kommentar