Vor 78 Jahren begann am 7. November die Pogromwoche des NS-Regimes, welche am 9. November 1938 ihren Höhepunkt fand. In diesen sieben Tagen brannten mit staatspolizeilicher Absicherung Synagogen. Jüdische Wohnungen, Geschäfte und Betriebe wurden verwüstet und geplündert. Eine Welle von Verhaftungen und Einweisungen in Konzentrationslager folgte. Zeitgleich spitzte sich die Lage mit dem forcierten Ausschluss von Jüdinnen und Juden aus allen gesellschaftlichen Bereichen immer weiter zu. Als perfide Krönung des konzertierten Terrors drückten die Nationalsozialisten den zu Feinden des deutschen Volkes Erklärten eine Kollektivstrafe auf. Die ihrer Würde und ihrer Rückzugsorte Beraubten sollten den angerichteten Schaden auch noch selbst bezahlen. Hilfe konnten sie nach über fünf Jahren des Niedergangs menschlicher Grundwerte kaum erwarten.
Die Wirkung von permanenter staatstragender Hetze ging einher mit der kontinuierlichen Beschneidung der Rechte jüdischen Menschen. Die 1935 verabschiedeten Nürnberger Gesetze stehen pars pro toto für die Rechtsgrundlage des sozialdarwinistisch begründeten Rassismus der Nazis, ihre verwaltungstechnische und propagandistische Wirkung kam voll zur Entfaltung. Die Pogrome vom November 1938 waren das Fanal zur Umsetzung der systematisch vorbereiteten Vernichtungspolitik, welche bis zum Ende des zweiten Weltkriegs sechs Millionen jüdische Menschen das Leben kostete.
Aktuell können wir die Auswüchse des deutschen Antisemitismus bei der *Gida-Bewegung deutlich beobachten. Besonders der *Gida-Schlachtruf „Lügenpresse“, führt uns in die Zeit des Nationalsozialismus zurück. Damals wurden liberale, linke und andersdenkende Presseerzeugnisse mit dem Begriff „Judenpresse“ belegt. Der Antisemitismus gestern wie heute unterstellt der Presse, gelenkt und vereinnahmt zu sein. Sie verschweige angeblich die Wahrheit und sei dafür da, „das deutsche Volk“ zu beeinflussen. Deswegen müsse sich „das Volk“ wehren. Dies ist nur ein Beispiel für Parallelen des nationalsozialistischen Antisemitismus und dessen der heutigen Neuen Rechten.
Diese *Gidas um das sächsische Original Pegida als Sammelbecken der Rassist_innen aller Couleur bereiten der AfD den Weg, die sich als parlamentarische Vertretung der so genannten „besorgten Bürger“ versteht. Die anfänglichen Reaktionen auf Pegida und Co. – vor allem aus den Unionsparteien – halfen dieser Wegbereitung massiv.
Die AfD versucht indes, rechte Ideologie als berechtigten Widerstand umzudeuten und bedient sich unverhohlen der Nazi-Rhetorik. So orientiert sich Björn Höcke an Goebbels-Reden, wie MONITOR vergleichend dargestellt hat. Zitate wie „1000 Jahre Deutschland. Ich gebe euch nicht her!“ oder „Die Evolution hat Afrika und Europa – vereinfacht gesagt – zwei unterschiedliche Reproduktionsstrategien beschert.“ erinnern an düsterste Zeiten der deutschen Geschichte. Auch die AfD-Vorsitzende Frauke Petry befeuert den rechten Sound mit der Forderung, den Begriff „völkisch“ wieder positiv zu besetzen. Genau die Betonung des Völkischen benutzte der Nationalsozialismus zur Abgrenzung und begründete mit einer Blut-und-Boden-Ideologie die millionenfache Vernichtung von Menschenleben.
Die *Gidas und andere rechte Gruppierungen werden durch die AfD darin bestätigt, dass Rassismus und Hetze zum öffentlichen Diskurs gehören würden. So begreifen sich die Täter_innen von Meißen, Heidenau, Clausnitz, Bautzen usw. als Widerständige, die ein „deutsches Volk“ verteidigen müssten.
Das kategorische Ablehnen der geschichtlichen Verantwortung Deutschlands ist eine weitere Voraussetzung für all diese Umtriebe und der Ruf nach einem Schlussstrich unter die Vergangenheit der deutschen Täter und Täterinnen deren folgerichtiger Bestandteil. So, wie in den 1930-er Jahren die unmenschlichen Ideen und Wertekanons des Nationalsozialismus salonfähig gemacht wurden, sollen menschenfeindliche Ansichten und ihr ideologischer Überbau der heute auftrumpfenden Rechten zur gesellschaftlichen Normalität werden. Der mahnende Ruf der Geschichte ›Nie wieder!‹ soll verstummen.
Dass sich die Protagonist_innen dieser Strategie immer provokantere Ausfälle erlauben und sich eines zustimmenden Publikums sicher sein können, ist hinreichender Beleg für das erneute Abdriften der Grundwerte. Dies erzeugt ein gesellschaftliches Klima, in dem Migrant_innen und Andersdenkende Anfeindungen und Angriffen ausgesetzt sind. Deswegen ist es wichtig, dass sich alle Demokrat_innen, Antirassist_innen und Antifaschist_innen im Kampf gegen diese erschreckenden Entwicklungen verbünden.
Legida will am 7. November erneut ausgrenzenden Hass auf die Straße tragen. Dies darf nicht unwidersprochen bleiben. Wir rufen alle Leipzigerinnen und Leipziger auf, besonders in dieser Woche des Gedenkens an die Opfer des nationalsozialistischen Terrors, nicht zuzulassen, dass rechte Parolen durch die Stadt getragen werden.
Schreibe einen Kommentar