In der Debatte zu einem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (Drucksache 6/218) am 30.04.2015 fordere ich die Landesregierung auf, endlich Modellprojekte für einen landesweiten fahrscheinfreien ÖPNV zu starten. Ein soziales Jobticket für Landesbedienstene kann dabei nur ein erster Schritt sein:
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Herr Nowak, wenn Sie jetzt einen Thüringer zitiert haben, wo R2G regiert, dann freut mich das, denn dort wird das wahrscheinlich mit dem Jobticket schneller passieren als in Sachsen, vielleicht auch schon mit dem fahrscheinfreien ÖPNV.
(Marko Schiemann, CDU: Das war kein Sachse!)
Zur Sache. Um den CO2-Ausstoß in Sachsen zu senken, ist es nicht nur nötig, erneuerbare Energien zu stärken und perspektivisch auf Kohlestrom zu verzichten, sondern auch im Verkehrsbereich effizient unterwegs zu sein. Zwar sinkt der CO2-Ausstoß bei Fahrzeugen kontinuierlich, doch dieser Gewinn wird leider wieder aufgefressen durch immer mehr Verkehr. Nun ist die Frage, wie sich dieses Problem lösen lässt –indem man den öffentlichen Nahverkehr zum Beispielattraktiver und kostengünstiger macht.
Der Antrag der GRÜNEN kommt zu dem Punkt, dass es für einige Menschen in diesem Land kostengünstiger sein könnte, mit dem ÖPNV zu fahren –genauer gesagt für über hunderttausend Menschen, die beim Freistaat Sachsen beschäftigt sind. Deswegen lohnt es sich, eine Debatte darüber zu führen, wie man zu einem kostengünstigeren ÖPNV zumindest für diese Gruppe von Menschen kommen kann. Der ÖPNV wird nämlich für jeden Einzelnen kostengünstiger, wenn immer mehr Menschen ihn gemeinsam nutzen. Daher diskutieren wir in der LINKEN schon länger über verschiedene Modelle des fahrschein-freien ÖPNV, der allen zugutekommt und für den alle Menschen –nicht nur die, die ihn nutzen –einen Finanzierungsbeitrag leisten.
Das Ganze kann man nicht von heute auf morgen, sondern nur Schritt für Schritt umsetzen. Ein Schritt kann ein Jobticket sein. Einen Schritt –genauer: einen Schritt davor –sind die Studierenden in Sachsen gegangen: Sie haben sich zusammengeschlossen und durch die pure Größe der Studierendenschaft den Verkehrsverbünden eine große Zahl an neuen Kunden gebracht. Daher konnten die Verkehrsverbünde der Kundschaft hohe Rabatte gewähren.
Ähnlich wollen Sie, die Koalition, es mit den Schülertickets machen. Aber angesichts der Fantasielosigkeit von Herrn Nowak, die ich gerade erlebt habe, dürfte das sehr schwierig für Sie werden, wenn schon eine Vereinbarung mit den fünf Verkehrsverbünden ein Problem darstellt. Das Problem werden Sie mit den Schülertickets haben, Herr Nowak.
- Vizepräsidentin Andrea Dombois: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Marco Böhme, DIE LINKE: Ja.
Andreas Nowak, CDU: Ist Ihnen bekannt, dass die Studierenden das nicht ganz freiwillig gemacht haben, sondern dass es sich um ein Zwangsangebot der verfassten Studierendenschaft handelt? Marco Böhme, DIE LINKE:Ja, das ist mir bekannt. Dazu komme ich auch noch in meiner Rede. Man könnte natürlich auch überlegen, ob das in Sachsen nicht auf andere Weise lösbar ist, etwa durch Modellversuche. Darüber möchte ich weiter reden. Ich weiß nämlich, dass es nicht so einfach ist, die Studierenden mit den Beschäftigten des Landes Sachsen zu vergleichen. Aber mit ein bisschen mehr Fantasie –ich habe gerade erlebt, dass Sie es damit anscheinend nicht so haben –könnte man das Problem lösen. Man könnte sich zum Beispiel mit Vertretern der Verkehrsverbünde zusammensetzen, um die Frage zu klären: Was wäre denn überhaupt der Preis, wenn ich mit meinen100000 Beschäftigten zu Ihnen komme und ein sachsenweites ÖPNV-Ticket haben möchte? Welchen Rabatt könnte ich denn bekommen? –Dann würde mir der Verkehrsverbund einen viel höheren Rabatt nennen als derzeit bei den Jobtickets oder den Semestertickets.
(Staatsminister Martin Dulig: Wir haben doch auch Rabatte ausgehandelt!)
–Aber nicht mit 100000Menschen auf einmal, sondern nur mit den 5000 aus Ihrem Ministerium. Mit unserem Vorschlag würden wir den Verkehrsverbünden eine ganz andere Größenordnung an neuen Kunden bringen.
Hinzu kommt natürlich noch der Arbeitgeberanteil. Dieser könnte übrigens viel höher sein als heute und bei 20oder 30% liegen. Dann läuft das ein bisschen anders, und es wird für die Beschäftigten günstiger, ein Ticket zu kaufen.
Nun können Sie –das hat Herr Nowak richtig gesagt –die Beschäftigten nicht zwingen, ein landesweites ÖPNV-Ticket zu erwerben, weshalb die Verhandlungsposition für den Freistaat in der Tat ein bisschen schwieriger wäre als für die verfasste Studierendenschaft. Aber man könnte, wie gesagt, versuchen, durch ein Modellprojekt den Verkehrsverbünden 100000Kunden zu garantieren, das heißt, ihnen „virtuelle Tickets“ zuzusichern. In den ersten paar Jahren würde das vielleicht ein paar Millionen Euro kosten; das gebe ich zu. Doch wenn die Tickets für jeden Einzelnen erheblich günstiger sind –bei 20 bis 30Euro pro Person–, dann würden die Beschäftigten in Sachsen diese Tickets auch kaufen und somit den Anteil, den das Land übernehmen müsste, reduzieren. Man hätte aber ein neues System geschaffen, das erheblich niedrigere Preise der Monatskarten für jeden Einzelnen ermöglichen würde. Der Freistaat Sachsen und die Umwelt hätten auch etwas davon, weil die Beschäftigten mit Bus und Bahn fahren würden.
Der Antrag der GRÜNEN ist ein Schritt in die von mir beschriebene Richtung eines landesweiten ÖPNV-Tickets für alle, zunächst für die 100000Beschäftigten, die es viel günstiger haben könnten. Ich finde, dass man einen höheren Arbeitgeberanteil ansetzen müsste, nicht nur 10%, sondern 20oder 30%. Es ist auch nicht zu begreifen, warum die Leute im Vogtland diese Möglichkeit bisher überhaupt nicht hatten. Das Land hätte aber auch mehr Druck auf die Verkehrsverbünde ausüben können; denn in den Aufsichtsräten sitzen auch Vertreter der entsprechenden Behörden.
Es ist nicht nachvollziehbar, warum eine Lehrerin im Vogtland kein Jobticket haben kann, die Lehrerin in Dresden aber eines bekommt. Hier werden ihr 20% des Preises bezahlt, in Leipzig wären es nur 10%. Diese Unterschiede sind nicht nachvollziehbar. Deswegen ist es richtig, wenn die GRÜNEN in ihrem Antrag eine einheitliche Regelung für Jobtickets fordern.
Deshalb sollten Sie von der Koalition wenigstens diesen kleinen Vorschlag, den die GRÜNEN einbringen, mittragen, wenn Sie schon nicht die von mir vorgetragene „revolutionäre“ Forderung aufgreifen und allen Beschäftigten in Sachsen die Möglichkeit geben, ein Jobticket zu erwerben.
Danke.
Schreibe einen Kommentar