Antrag: Energiewende voranbringen – Länderöffnungsklausel nicht in Anspruch nehmen (Drs.-Nr. 6/466)

Der Landtag möge beschließen:

Die Staatsregierung wird aufgefordert:

I.

Die sogenannte Länderöffnungsklausel – § 249 Abs. 3 BauGB – nicht in Anspruch zu
nehmen.

II.

Den Fortgang der Planungen zur Fortschreibung der Regionalpläne in Bezug auf die Nutzung der Windenergie nicht länger zu behindern, sondern vielmehr zu unterstützen.

Insbesondere ist hierbei:

  • die landesweite Verteilung der von den Planungsverbänden zu erbringenden Windenergieflächen (vgl. Z 5.1.3 und Z 5.1.4 LEP – bislang schematisch nach Planungsverbandsgröße unter Nichtbeachtung von Raumwiderständen mit Abwälzungsmöglichkeit auf andere Planungsverbände) per Erlass unverzüglich und abschließend verbindlich zu regeln;
  • das Ergebnis von durch die Staatsregierung in Auftrag gegebenen Studien zu rechtlichen Grenzen der Festlegung von Abstandsflächen zu Windenergieanlagen sowie etwaigen Szenarienrechnungen bei verschiedenen Randbedingungen für die Nutzung der Windenergie in Sachsen einschließlich der daraus ableitbaren Empfehlungen für die Arbeit in den Planungsverbänden darzustellen
    [vgl. KlAnfr Jana Pinka DIE LINKE, Drs 5/14898];

sicherzustellen, dass die Fertigstellung der im Koalitionsvertrag erwähnten „Windpotenzialstudie“ rasch stattfindet und die Regionalen Planungsverbände nicht im War

  • Warten auf weitere Regelungsvorgaben in der Fertigstellung der raumordnerischen Planwerke als Grundlage für neue Anlagenstandorte gehindert werden.

Ergänzend dazu sind die bestehenden Erlasse dahingehend unverzüglich zu überarbeiten bzw. zurückzunehmen.

Begründung:

zu I.

Durch diesen Antrag soll eine rasche Positionsbestimmung unter den Fraktionen im Landtag befördert werden, was wiederum Folgen für das Handeln der Staatsregierung entwickelt.

Der § 249 Absatz 3 BauGB lautet seit dem 1. August 2014 wie folgt:

„(3) Die Länder können durch bis zum 31. Dezember 2015 zu verkündende Landesgesetze bestimmen, dass § 35 Absatz 1 Nummer 5 auf Vorhaben, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dienen, nur Anwendung findet, wenn sie einen bestimmten Abstand zu den im Landesgesetz bezeichneten zulässigen baulichen Nutzungen einhalten. Die Einzelheiten, insbesondere zur Abstandsfestlegung und zu den Auswirkungen der festgelegten Abstände auf Ausweisungen in geltenden Flächennutzungsplänen und Raumordnungsplänen, sind in den Landesgesetzen nach Satz 1 zu regeln. Die Länder können in den Landesgesetzen nach Satz 1 auch Abweichungen von den festgelegten Abständen zulassen.“

Damit ist den Ländern die Möglichkeit eröffnet, innerhalb der von ihnen festzulegenden Mindestabstände, bestimmten Vorhaben im Außenbereich die Privilegierung zu entziehen.

Gleichzeitig gibt es jedoch im Zuge einer Inanspruchnahme der Länderöffnungsklausel zahlreiche ungeklärte Umstände, die ohne Not die Rechtsunsicherheit erhöhen[1] und absehbar allein Planungsverzögerungen zur Folge haben – ohne den dringend erforderlichen Ausbau der Erneuerbaren Energien jedoch dauerhaft aufhalten zu können.

Solange keine rechtssicheren und aktuellen Raumordnungspläne für die Windenergie zur Verfügung stehen, kann eine raumordnerisch nicht wünschenswerte Genehmigung einzelner Standorte erfolgen. Der rechtssichere und standortangepasste Ausbau der Windenergie ist allein durch robuste regionale Raumordnungspläne zu gewährleisten.

Indes kann der Koalitionsvertrag in einer Weise ausgelegt werden, die vermuten lässt, dass die Länderöffnungsklausel nicht zur Anwendung gebracht werden soll – ohne dies jedoch ausdrücklich auszusagen:

„Wir bekennen uns zum Ausbau der Windkraft und setzen auf flexible Regelungen auf der Ebene der regionalen Planungsverbände. […] Starre Mindestabstandsregelungen für die Errichtung von Windkraftanlagen lehnen wir ab. Stattdessen streben wir flexible Regelungen an, die auch das Wohl der Einwohner im Blick behalten. Die Flexibilität der Planungsverbände bei der Ausweisung von Vorrang- und Eignungsgebieten für die Nutzung der Windkraft, auch im Hinblick auf das Straßengesetz, werden wir erhalten.“
(aus: Koalitionsvertrag CDU/SPD Sachsen v. 23.10.2014; Zeile 1350 ff.)

zu II.

Im Warten auf neue Regelungen besteht spätestens seit Inkrafttreten des Landesentwicklungsplans mehr oder weniger ein Stillstand in Bezug auf die Weiterentwicklung der Regionalpläne als Grundlagen für die Nutzung der Windenergie in Sachsen.[1]

Durch eine Regelung wie die seitens der aus dem Landtag ausgeschiedenen FDP vorgeschlagene „10-H-Regelung“, kombiniert mit der Inanspruchnahme der Länderöffnungsklausel, wären neue Standorte für Windenergieanlagen zunächst kaum mehr möglich. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien wäre somit zwischenzeitlich erheblich behindert.

Von einer Gefahr für eine „Verspargelung der Landschaft“ kann nach unserer Auffassung kaum eine Rede sein. Harte Kriterien sorgen dafür, dass ca. 90% des Raums für Windenergieanlagenstandorte von vornherein ausfallen. Die verbleibenden ca. 10% werden mit weichen Kriterien von den Planungsverbänden überplant. In diesen Prozess der Kriterienerstellung und –diskussion können sich Bürgerinnen und Bürger einbringen.
Effektiv bleiben am Ende des geschilderten Planungsprozesses bereits jetzt noch weniger als 0,5 % des gesamten Raums für neue Windenergieanlagenstandorte übrig. Durch diese Vorgehensweise wird bereits angestrebt, den Bau von Windanlagen zielgerichtet zu steuern und die Bürgerinnen und Bürger vor Wildwuchs zu schützen.

Wir schlagen eine landesweite Verteilung der von den Planungsverbänden zu erbringenden Windenergieflächen anhand objektiver Kriterien (Windenergieeignung und offensichtlicher Nichteignung)[2] vor, um

  • den ansonsten zu erwartenden Zeitverzögerungen auf der regionalen Planungsebene vorzubeugen, sowie um
  • Auseinandersetzungen durch regional einheitliche Kriterien vorzubeugen,

gleichfalls schaffen wir einen kooperativen Ansatz zum Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Vertretern der Energiewirtschaft zur Einigung auf diese Kriterien vor.[3]

Konkrete Regelungsvorschläge hatte die Fraktion DIE LINKE in der Beratung des Landesentwicklungsplanes – vor über zwei Jahren – gemacht.[4]

[1] Widersprüchlichkeit der Regelungen, Auseinanderfallen mit Regelungen des Immissionsschutzrechts, verfassungswidriger Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung (planerische Selbstverwaltungsgarantie), Gliederung des Außenbereichs in zwei Klassen, kaum zu erreichende rechtssichere Ausgestaltung der Länder-Detailregelungen – ausführlich dazu bspw.:
Mitschang/ Reidt: Die Einführung einer Länderöffnungsklausel zur Regelung von Mindestabständen zwischen Windenergieanlagen und zulässigen Nutzungen im Baugesetzbuch, In: BauR 8-2014, S. 1232 ff.;
ebenso: Krautzberger/ Stüer: Viel Wind für weniger Windenergie? In: BauR 9-2014, S. 1403 ff.

[1] vgl. dazu u.a. folgende Kleine Anfragen:

KlAnfr Jana Pinka DIE LINKE: hinreichendes Flächenpotenzial für eine Windenergienutzung; v. 18.07.2014 Drs 5/14898. // Online unter: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=14898&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=1

KlAnfr Jana Pinka DIE LINKE: hinreichendes Flächenpotenzial für eine Windenergienutzung vs. 10
-H-Regelung und Straßengesetz;
v. 22.06.2014 Drs 5/14687 // Online unter: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=14687&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=1

KlAnfr Jana Pinka DIE LINKE: Verzögerung des Ausbaus der Windenergie durch unklare Vorgaben der Staatsregierung; v. 10.02.2014 Drs 5/13784 // Online unter: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=13784&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=202

[2] Der Koalitionsvertrag sieht hier etwas ganz ähnliches vor:
„Zur besseren Koordinierung des Ausbaus der Windenergie und als Grundlage für die Fortschreibung der Regionalpläne werden wir eine Windpotenzialstudie für Sachsen erstellen.“
(aus: Koalitionsvertrag CDU/SPD Sachsen v. 23.10.2014; Zeile 1353 ff.)

[3] Der von der Fraktion DIE LINKE im Rahmen des Landesentwicklungsplans vorgeschlagene „Flächenschlüssel“ kann aufgrund unterschiedlicher Eignungen und Raumwiderstände nicht – wie im LEP vorgegeben (Z 5.1.3 und Z 5.1.4) – schematisch nach Planungsverbandsgröße mit weitreichender Abweichungsmöglichkeit bestimmt werden. Seine Erarbeitung ist zentrale Aufgabenstellung einer übergeordneten Ebene; gleichzeitig kann dabei ein notwendiger Überblick über die Erreichbarkeit der Zielstellung und ggf. erforderlichen Nachsteuerungsbedarf in den Kriterien gewonnen werden.

[4] vgl. Änderungsantrag DIE LINKE: zu Drs 5/8001 [Stellungnahme zum] Landesentwicklungsplan 2012 Entwurf für das Beteiligungsverfahren gemäß §§ 9 und 10 ROG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 Satz 9 SächsLPlG (Kabinettsbeschluss vom 20. Dezember 2011)
ÄAntr DIE LINKE v. 11.07.2012; Drs 5/9672 // Online unter: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=9672&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=1

 

Die Stellungnahme der Sächsischen Staatsregierung zu dem Antrag findet ihr hier: AS 6_466 Länderöffnungsklausel nicht in Anspruch nehmen.

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