Antrag: Maßnahmenpaket Sachsen zur Verbesserung der Beteiligung, Teilhabe und Akzeptanz von Anlagen zur Gewinnung Erneuerbarer Energien (Drs.-Nr. 6/3591)

Der Landtag möge beschließen:

Die Staatsregierung wird aufgefordert,

zur Verbesserung der Beteiligung, Teilhabe und Akzeptanz sowie des weiteren Ausbaus von Anlagen zur Gewinnung Erneuerbarer Energien (EEG) im Freistaat Sachsen in ihren Aufgabenbereichen die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen und Maßnahmen zu ergreifen, mit denen

1. die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern bei Vorhaben und Projekten zum Ausbau regenerativer Energien und zur Errichtung entsprechender EEG-Anlagen deutlich gestärkt wird und hierzu insbesondere:

a) die informationelle Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern durch eine aktive, frühzeitige und kontinuierliche Information der betroffenen Einwohnerschaft, Gemeinden und deren Nachbargemeinden und sonstigen Beteiligten zu verbessern,

b) eine engere Abstimmung der Planungsschritte für Investitionen in Erneuerbare Energien und EEG-Anlagen mit den Bürgerinnen und Bürgern, den Planungsverbänden und den betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften durch die Sächsische Energieagentur (SAENA GmbH1) sicherzustellen.

2. die derzeit bestehenden Hindernisse bei der finanziellen Teilhabe an Investitionen in Erneuerbare Energien durch Kommunen, deren Zweckverbände, Unternehmen mit kommunaler Beteiligung, von Genossenschaften, Vereinen, Bürgerinitiativen und einzelnen Bürgerinnen und Bürgern beseitigt werden und dazu insbesondere

a) eine direkte finanzielle Beteiligungsmöglichkeit an EEG-Anlagen zu ermöglichen,

b) das Prinzip finanzieller Teilhabe als Grundsatz in die Landesplanung und Raumordnung aufzunehmen,

c) neue Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten von finanziellen Beteiligungen von Bürgerinnen und Bürgern und Kommunen an Investitionen in Vorhaben und Projekte für Erneuerbare Energien bzw. EEG-Anlagen zu schaffen und entsprechende Förderprogramme aufzulegen,

d) die kompetente Beratung der SAENA unter dem Aspekt der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern in allen Fragen der Planung und dem Bau neuer EEG-Anlagen und der Realisierung von Teilhabe-Vorhaben einzubinden und eine entsprechende Begleitung anzubieten und

e) die vorhandenen Finanzierungsinstrumente des Freistaates Sachsen so auszugestalten, dass sie auch Finanzierungslücken für Vorhaben und Anlagen zur Gewinnung Erneuerbarer Energien schließen können.

3. die Kommunen angeregt und dabei unterstützt werden, in ihrem Gemeindegebiet (Standortkommunen) eigene EEG-Anlagen zu errichten und zu betreiben bzw. in solche Anlagen zu investieren, damit die betreffenden Standortkommunen künftig selbst Träger der Planungs-, Entwicklungs-, Entscheidungs-, Informations-, Beteiligungsprozesse und Nutznießer des Wertschöpfungsprozesses werden, und dem Landtag für die hierzu gegebenenfalls notwendigen Anpassungen des Gemeindewirtschaftsrechts im Rahmen ihres Gesetzesinitiativrechts einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen.

4. im Bundesrat und gegenüber der Bundesregierung dafür eingetreten wird, dass der Gewerbesteueranteil von Betrieben, die ausschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Windenergie betreiben – gegenüber der derzeit geltenden Regelung des Zerlegungsmaßstabes in § 29 des Gewerbesteuergesetzes durch eine deutlich höhere Berücksichtigung des örtlichen Sachanlagevermögens – zugunsten der Standortkommune erhöht wird.

Begründung:

Die Windenergie ist für das Erreichen der Ziele des sächsischen Energie- und Klimaprogramms (EKP) von essentieller Bedeutung, denn sie ist jene Erneuerbare Energie mit dem größten Entwicklungs- und Ertragspotential. Der Ausbau der Windenergie ist damit ein wesentlicher Baustein der Energiewende und einer nachhaltigen Energie- und Klimapolitik für Sachsen. Die im EKP enthaltenen Ziele eines erhöhten Anteils regenerativer Energien sind am wirkungsvollsten durch den Ausbau der Windenergie zu erreichen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen gerade bei der Planung und dem Bau von Windenergieanlagen (WEA) Konflikte minimiert werden.

Die Anwendung der starren 10H-Regel zur Abstandsbemessung von WEA ist als Instrument der Landes- und Raumplanung ungeeignet und dementsprechend ist von der Länderöffnungsklausel des § 249 Absatz 3 Satz 1 des Baugesetzbuchs (sog. „10H-Regelung“) kein Gebrauch zu machen. Sie verschließt den Weg zu lokal angepassten Lösungen für Windkraftprojekte, die zudem bereits einem umfassenden und erprobten Schutz durch bestehende Regelungen (z.B. § 4 Absatz 1 Satz 1 des Bundesimmissionsschutzgesetzes) unterliegen. Die 10H-Regelung würde zu einem de-facto-Stopp des Ausbaus der Windenergie im dicht besiedelten Sachsen führen. Die Entwicklungsziele des EKP werden damit unerreichbar, Sachsen wird für Investitionen in Windkraft damit deutlich unattraktiver. Zudem befördert die 10H-Regelung die Flächenkonkurrenz, wenn WEA-Investitionen bei der Flächenauswahl gegen andere Schutzinteressen – etwa dem Artenschutz – antreten müssten. Auch der sog. „neue Windkrafterlass“ vom 20. November 2015 betont zwar die Notwendigkeit einer umfassenden Bürgerbeteiligung und der Transparenz bei Planungsverfahren der Windenergienutzung, stellt aber keine ausreichend verlässliche Rechtsgrundlage für die mit der Initiative begehrten Maßnahmen dar. Es handelt sich hierbei lediglich um eine untergesetzliche Orientierungshilfe im Rahmen von raumplanerischen Abwägungsentscheidungen durch die Regionalen Planungsverbände, deren Verbindlichkeit bei einer Einzelfallentscheidung nun doch arg bezweifelt werden muss.

Die Diskussion zeigt, dass die öffentliche Unterstützung für die Energiewende und die Energie- und Klimapolitik verloren geht. Hier muss Vertrauen durch Teilhabe geschaffen werden. Dafür ist es notwendig, die Möglichkeiten einer Bürgerbeteiligung im Planungs- und Bauprozess von Anlagen der Erneuerbaren Energien zu verbessern. Nur so lassen sich hemmende Konflikte, etwa um Windkraft-Investitionen, vermeiden. Ebenso ist es notwendig, Bürgerinnen und Bürger sowie Gemeinden an der Wertschöpfung durch die Erneuerbaren Energien zu beteiligen. Der Koalitionsvertrag bekennt sich zur Förderung einer frühzeitigen Bürgerbeteiligung. Diese verdient ihren Namen aber erst dann, wenn sie die Menschen in Sachsen auch am wirtschaftlichen Erfolg eines Ausbaus der Erneuerbaren Energien beteiligt. Eine ernst gemeinte Teilhabe bedeutet die Möglichkeit, von Investitionen im Sektor der Erneuerbaren Energien zu profitieren. Eine finanzielle Bürgerbeteiligung an EEG-Anlagen ist geeignet, Konflikte um Ihren Bau zu minimieren und damit Planungs- und Bauprozesse zu beschleunigen. Damit werden zusätzlich auch lokale Wertschöpfungsketten gestärkt, wenn Erträge an die Einwohner und Kommunen vor Ort zurückfließen. Es ist nicht klar, ob die sächsischen Kommunen im Rahmen einer wirtschaftlichen Betätigung selbst als Investoren von EEG-Anlagen auftreten können. Sollte es nach einer Prüfung der Rechtslage Änderungsbedarf im Dritten Abschnitt der Sächsischen Gemeindeordnung geben, so erscheint es am zweckdienlichsten, sich an den Regelungen des § 121 Absatz 1a der Hessischen Gemeindeordnung oder § 68 Absatz 1 Satz 2 der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommerns zu orientieren, welche den Gemeinden eine spezialgesetzliche Privilegierung ihrer wirtschaftlichen Betätigung auf dem Gebiet der Erzeugung, Speicherung, Einspeisung und des Vertriebs von Strom, Wärme und Gas aus Erneuerbaren Energien einräumt.

Die Erhöhung des Gewerbesteueranteils für WEA hat ebenfalls das Ziel, das höhere Einnahmen für die Standortgemeinde, und damit in der Region, verbleiben. Weitergehende Akzeptanz findet die Energiewende nur dann, wenn Bürgern und Gemeinden endlich auch eine finanzielle Teilhabe ermöglicht wird. So wird die Energiewende für die Menschen vor Ort gestaltbar und kann damit auch zu ihrer eigenen Energiewende werden.

 

Die Stellungnahme der Sächsischen Staatsregierung zu dem Antrag findet ihr hier: AS_6_3591 Beteiligung und Teilhabe von EE.

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