Am 30. Mai 2018 wurde im Landtag auch über einen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema Radverkehrspolitik diskutiert (Drucksache 6/11535). In meiner Rede dazu mache ich deutlich, was wir LINKE an der derzeitigen Radverkehrspolitik in Sachsen kritisieren und in welchen Punkten wir den Antrag unterstützen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Nowak, dann freue ich mich, dass wir im nächsten Monat oder in zwei Monaten gemeinsam mit der CDU die Fahrradgarage hier im Landtag beantragen. Sie haben die Mehrheit; dann kommen wir endlich auch im Landtag zu mehr Fahrradfreundlichkeit.
Denn Radfahren ist neben dem Zu-Fuß-Gehen das ökologischste Verkehrsmittel. In den großen Städten bin ich mit dem Fahrrad heute schneller unterwegs als mit dem Auto oder dem ÖPNV. Ich bin leider gleichzeitig auf dem gefährlichsten Verkehrsmittel, das es in Sachsen gibt, unterwegs –aber nicht, weil man damit fährt und plötzlich umfällt oder gegen einen Baum fährt, sondern weil man von anderen Fahrzeugen angefahren, umgefahren oder schlicht überrollt wird.
Die Unfallzahlen von Radfahrerinnen und Radfahrern bleiben seit Jahren gleich hoch –stets gleich hoch–, wie die Anfrage der LINKEN zur Mobilität in Sachsen letztens erst gezeigt hat. Gerade Lkws führen in Innenstädten zu vielen Todesfällen, wie erst vor ein paar Wochen in Leipzig passiert. Viele Unfälle geschehen aber auch, weil die Wege, die derzeit schon für Radfahrerinnen und Radfahrer vorhanden sind, zugeparkt sind, und das teilweise im Dauerzustand. Deswegen gibt es übrigens in dieser Woche die Aktionswoche „Runter vom Radweg“. Unter diesem Hashtag findet man bei Twitter und anderen sozialen Netzwerken gerade Tausende von Bildern von Autos, die auf Radwegen stehen und eine potenzielle Unfallgefahr darstellen.
Jeder Unfall ist einer zu viel. Ich erkenne leider nicht, dass Sachsen –anders als beispielsweise das Land Berlin –das Ziel „Null Verkehrstote im Jahr“ verfolgt. Denn anders als beim Autoverkehr, wo ich Geschwindigkeitsreduzierungen vornehmen kann –es haben sich auch schlicht die Karosserien geändert oder andere Sicherheits-techniken im Auto haben sich massiv verbessert–, erkenne ich nicht, dass es in Sachsen große Schritte beim Ausbau der Infrastruktur hin zu sicheren Wegen für Radfahrerinnen und Radfahrer gibt. Genau das muss sich grundsätzlich ändern, weshalb dieser Antrag so dringend nötig und deshalb richtig ist.
(Beifall bei den LINKEN)
Beim Thema Radverkehrsförderung geht es aber nicht nur um Klimaschutz oder Verkehrssicherheit, sondern auch um Lebensqualität in der Stadt. Will man weniger Lärm, weniger Feinstaub, weniger Stickoxide, keine Fahrverbote in Innenstädten, mehr Freiräume –oder schlicht mehr Platz–, dann kommt man an einer aktiven, fahrradfreundlichen Förderung und an fahrradfreundlichen Kommunen nicht vorbei. Ich finde, dieses Ziel sollte der Freistaat auch verfolgen –aktiv verfolgen.
Doch schaue ich mir die Antworten der Staatsregierung auf den Antrag an, dann sehe ich, dass es kein Staatsziel ist, dass die Staatsregierung nicht zuständig ist, dass sie es den Kommunen allein überlässt. Wir kennen das schon vom ÖPNV. Ich finde es unerträglich, dass der Freistaat zwar Geld bereitstellt –das immerhin ist gut–, aber nicht das Staatsziel hat, zum Beispiel den Autoverkehr zu verringern und den Radverkehr zu erhöhen.
(Andreas Nowak, CDU: Weil wir nicht ideologisch sind!)
An den Antworten auf die Fragen des Berichtsteils des Antrags, wo es um die Anzahl der Fahrradabstellanlagen an Bahnhöfen und die Standortuntersuchungen zu Fahrradstationen geht, sieht man wieder einmal, dass die Staatsregierung nicht antworten muss, weil sie nicht die Rechtsaufsicht über Fahrradstationen hat. Die Antwort mag rechtlich richtig sein, zeigt aber auch, dass Sie sich dafür nicht interessieren. Genau das ist das Problem. Auch deshalb haben Sie keine Antworten.
(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)
Das Problem ist auch, dass Sie im Wirtschaftsministerium und im Landesamt für Straßenbau und Verkehr kaum Personal für Radverkehrsförderung haben. Das zeigt auch die Antwort auf Frage I.3 und bekräftigt die Forderung unter II.5. Frau Meier hat es gerade noch einmal gesagt.
Das beantwortet auch die Frage, warum so wenige Mittel im Radverkehrshaushalt ausgegeben werden. Wir haben mittlerweile eine hohe Förderung im Haushalt; aber das Geld fließt nicht ab, weil eben keine Planungskapazitäten da sind.
(Andreas Nowak, CDU: Das ist doch Quatsch! Die Kommunen rufen es nicht ab!)
Die sind auch bei den Kommunen nicht da.
(Andreas Nowak, CDU: Das können Sie doch der Staatsregierung nicht vorwerfen! –Zuruf des Staatsministers Martin Dulig)
–Ja, genau. Das wäre doch eine mögliche Antwort auf den nächsten Punkt des Antrags, wonach Sie eine Strategie vorlegen müssen. Sie könnten hineinschreiben: Damit die Mittel auch abfließen, wollen wir im kommenden Haushalt den Kommunen so unter die Arme greifen,
(Staatsminister Martin Dulig: 90% Förderung!)
dass sie in der Lage sind, Planungskapazitäten aufzubauen, also Personal für die Planung einzustellen und nicht nur den Bau an sich zu fördern.
(Staatsminister Martin Dulig: Absurd! –Andreas Nowak, CDU: Kommunale Selbstverwaltung!)
–Na ja, wollen Sie nun das Ziel erreichen, den Radverkehr zu erhöhen, oder nicht?
Natürlich braucht es auch, wie unter PunktII.2 gefordert, eine neue Radverkehrskonzeption in Sachsen, in die die konkreten kommunalen Konzeptionen einbezogen sind, allein schon deshalb, damit Sie ausreichende Informationen erhalten.
Es braucht weiterhin, wie auch in Punkt 2.4, die geforderte Arbeitsgemeinschaft „Fahrradfreundliche Städte“. Ich frage mich, warum es das in Sachsen nicht schon lange gibt. Es gibt anscheinend zu wenig Anreize, dass sie das noch nicht haben.
(Staatsminister Martin Dulig: Da müssen Sie die Städte fragen! Das ist eine Arbeitsgemeinschaft der Städte!)
–Ich frage aber auch Sie, warum Sie es noch nicht er-reicht haben, die Städte zu überzeugen. Es kann doch nicht sein, dass wir im Freistaat nicht wissen, wie hoch oder wie niedrig der Anteil des Radverkehrs ist. Das ist doch ein Problem und das muss man „bekämpfen“ und angehen.
Man könnte auch mit innovativen Maßnahmen den Radverkehrsanteil bei der Bevölkerung erhöhen, indem man zum Beispiel Menschen direkt fördert, die sich neue Räder anschaffen wollen, zum Beispiel in Berlin oder wie es der Bund mittlerweile plant und auch umsetzt. Stich-wort: Lastenfahrräder.
(Staatsminister Martin Dulig: Wer soll denn Lastenfahrräder finanzieren? Das ist doch absurd!)
Und von Ihnen kommt die Antwort, dass man erst mal schauen müsste, welches Staatsinteresse dahintersteht. Da fragt man sich schon, ob Sie irgendetwas aus der Diesel-debatte oder den drohenden Fahrverboten gelernt haben oder wie auch gerade bei dem CDU-Beitrag.
Zur Forderung 2.8, endlich in Sachseneinheitliche Tarife im ÖPNV herzustellen, die natürlich auch für Fahrräder gelten sollten, kommt hier die Antwort, dass dies Thema bei der ÖPNV-Strategiekommission war. Ja, das war es und das ist auch schön. Es gab entsprechende Empfehlungen, die wir auch in unserem Änderungsantrag zum Landtagsantrag, der Anfang des Jahres hier beschlossen wurde, mit eingefordert und formuliert haben. Die Frage ist nur: Was ist seitdem passiert? Ich frage mich das weiterhin. Mich befriedigt dahin gehend die Arbeit des Ministeriums auch nicht.
(Beifall bei den LINKEN)
Es wäre notwendig, auch die anderen Forderungen zu beachten, die noch in dem Antrag stehen, also in Punkt 2.9, die Fahrradstationen auszubauen oder in Punkt 10 die Überarbeitung der Richtlinien zum Straßenbauvorhaben sowie in Punkt 11., das Handbuch Fahrrad-förderung an die Kommunenauszuteilen, damit es dort Interesse weckt, damit die Kommunen auch bei so einer AG mitmachen; des Weiteren der Punkt 12 Thema Tourismus und Punkt 13 Radschnellwege.
Das sind alles richtige und wichtige Punkte, denen wir zustimmen können, und nur dann bekommen wir auch die Emissionen in den Griff, senken die Zahl der Verkehrstoten und -verletzten und steigern letztendlich die Lebens-qualität in unseren Städten.
(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN–Staatsminister Martin Dulig: Unsachlich, Manometer!)
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