Marco Böhme, stellvertretender Vorsitzender und Sprecher für Klimaschutz und Mobilität der Linksfraktion Sachsen, erklärt zur Antwort auf seine Kleine Anfrage zur Aufarbeitung der friedlichen Protest-Blockade am Flughafen Leipzig/Halle am 9. Juli 2021 (Drucksache 7/7135):
„Ich fordere weiter eine Entschuldigung des Ministerpräsidenten dafür, dass er die Protestierenden pauschal als gewaltorientiert dargestellt hat, obwohl es keinerlei Berichte über Widerstand oder gar Gewalt bei der Blockade gibt. Seine Aussage, dass der Rechtsstaat vernünftige Instrumente anwenden werde, trifft auf Berichte der in Gewahrsam Genommenen über die Vorgänge im Leipziger Polizeirevier. Die Rede ist dort von sexuellen Übergriffen, DNA-Zwangsentnahmen und der Verweigerung regelmäßiger Toilettengänge. Die Betroffenen hätten durch Dauerregen völlig durchnässt in Unterwäsche und ohne Decken in kalten Zellen sitzen müssen, Nahrungsmittel seien nur in Form von sogenannten 5-Minuten-Terrinen ausgereicht worden. Wir werden nachhaken, was die nun angekündigte ,sorgfältige Prüfung‘ dieser Vorwürfe ergeben hat.
Die Ingewahrsamnahme wurde später mit dem Anfangsverdacht der Nötigung begründet. Bisher hat indes keiner der Betroffenen eine Anzeige oder sonstige Schreiben der Polizei oder Staatsanwaltschaft darüber erhalten, dass ermittelt wird. Gegen mich als Eilanmelder soll der Anfangsverdacht eines Verstoßes gegen das Versammlungsrecht bestehen. Ich habe dazu ebenfalls noch keinerlei Schreiben der Polizei oder Staatsanwaltschaft erhalten. Ich gebe zu bedenken, dass die Polizei den Protest vor Ort als Versammlung wertete und es keine Auflagen gab.
Zudem ist nun klar, dass die Polizei Sachsen falsche Aussagen des DHL-Standortleiters übernommen hat. DER SPIEGEL hatte zuerst recherchiert, dass es keinen Millionenschaden gab und keine Impfstofflieferungen verspätet eintrafen. Das verniedlicht der entlassungsreife Innenminister nun als ,redaktionellen Fehler’. Die CDU-Fraktion hatte am Folgetag des Protests gewettert, dass ich persönlich den angeblichen Millionenschaden zahlen solle. Wiederholt die CDU diese Forderung jetzt eigentlich auch bei den streikenden Lokführern?
Ziel von Protesten ist es, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Manchmal werden auch Menschen in Mitleidenschaft gezogen, die nicht Ziel der Proteste sind, wie die LKW-Fahrerinnen und -fahrer am Flughafen. Der Protest richtet sich nicht gegen die Beschäftigten am Flughafen, sondern gegen die Ausbaupläne. Er wird weitergehen, bis sie vom Tisch sind. Der Wirtschaftsausschuss entscheidet am 14. September um 14 Uhr auf Antrag der Linksfraktion in öffentlicher Sitzung darüber, ob der Flughafen Leipzig/Halle sich sozial, ökologisch und friedlich entwickelt und den Beschäftigten eine Zukunftsperspektive bietet – oder ob der Ausbau weiter zu Lasten von Klima und den Anwohnerinnen und Anwohnern erfolgt. Die Petition gegen den Ausbau des Flughafens, die von über 10.000 Menschen eingereicht wurde, hat die Koalition inzwischen abgelehnt. Das hatten wir in der letzten Landtagssitzung (Seite 2578) kritisiert.“
Hintergrund
Am 9. Juli 2021 hatten Aktivisten der Gruppe „Cancel LEJ“ gegen 22 Uhr eine LKW-Einfahrt am Frachtdrehkreuz von DHL am Flughafen Leipzig/Halle mit einer Sitzblockade besetzt. Sie protestierten gegen die Ausbaupläne der Mitteldeutsche Flughafen AG, die die Kapazitäten des Transportgeschäftes, insbesondere nachts, deutlich erhöhen will. Dagegen erhebt sich Widerstand von verschiedenen zivilgesellschaftlichen Gruppen, wie den direkt betroffenen Anwohnern, Klimaschützern, Friedensbündnissen und antirassistischen Gruppen. Nach dem Ausbau wäre der Flughafen beim Frachtaufkommen mit dem Flughafen Frankfurt a.M. vergleichbar – wobei in Frankfurt ein Nachtflugverbot gilt. Der geplante Ausbau soll das Frachtaufkommen von 80.000 auf knapp 130.000 Starts und Landungen erhöhen. Ministerpräsident Kretschmer hatte nach der friedlichen Protest-Versammlung am Flughafen geäußert: „Die Grundlage unseres Zusammenlebens ist, dass Gewalt weder gegen Personen noch Sachen ausgeübt wird. Hier sind Grenzen überschritten worden. Dafür hat der Rechtsstaat vernünftige Instrumente und Schritte, die jetzt auch angewandt werden.“
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