Am 26. September 2018 erging der Planfeststellungsbeschluss für die Errichtung und den Betrieb der „Europäischen Gas-Anbindungsleitung“ (EUGAL) im Trassenabschnitt Chemnitz mit den Landkreisen Mittelsachsen und Erzgebirgskreis. Dieser Beschluss bewirkt eine Enteignung von Landeigentümern und Windkraftanlagenbetreibern der Windparks in Dörnthal/Voigtsdorf. Diese hatten bereits im Vorfeld erhebliche Einwände erhoben und im Herbst 2018 Klagen im Eilverfahren gegen den Beschluss der Landesdirektion eingereicht. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht in Bautzen hat darauf allerdings bisher nicht reagiert. Stattdessen wurde unmittelbar vor den beiden betroffenen Windparks eine Baustelle eingerichtet, von der aus sich der Rohrgraben und bereits verschweißte Rohre direkt auf die 25 Windenergieanlagen in dem zu großen Teilen ausgewiesenen Wind-Vorranggebiet zubewegen. Nach der Winterpause wurden die Arbeiten nun wieder aufgenommen.
Marco Böhme, Energie- und Klimaschutzpolitischer Sprecher der Linksfraktion, zeigt sich schockiert über die Baumaßnahmen:
„Ich kann das aus mehreren Gründen nicht nachvollziehen. Erstens hat die um vier Kilometer kürzere Trassenführung entlang eines seit Jahrzehnten vorhandenen Korridors von Mulda direkt nach Sayda im Planfeststellungsverfahren nicht den Vorzug erhalten. Jedenfalls wurde das im Variantenvergleich noch nicht einmal im erforderlichen Umfang geprüft. Zweitens wurde bereits die OPAL-Gasleitung mitten durch die Windparks gezogen, was immer noch nicht rechtskräftig planfestgestellt ist Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat im immer noch anhängigen Klageverfahren sogar eine Umverlegung ins Spiel gebracht. Schon deshalb sollte keine weitere Leitung in den Windparks Dörnthal/Voigtsdorf entstehen, bis eine abschließende Entscheidung getroffen ist.
Drittens haben bereits vor dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses für die EUGAL Gasleitung Baumaßnahmen der Trassenbauer sowie eine vorzeitige Besitzeinweisung stattgefunden, um schnellstmöglich Tatsachen zu schaffen. Viertens sind derzeit zwei Eilanträge der enteignungsbetroffenen Grundstückseigentümer Helfried und Dirk Unger und einer Windanlagenbetreibergesellschaft beim Oberverwaltungsgericht anhängig. Sie zeigen erhebliche Mängel in der Planung der EUGAL-Trasse in Sachsen und in den Planfeststellungsverfahren auf, aus denen
Einschränkungen und Gefährdungen für die Betroffenen und die Allgemeinheit resultieren. Trotzdem ist immer noch kein Baustopp ergangen.“
Alexandra Engel, eine der Rechtsanwälte der Betroffenen, stellt fest: „Das Oberverwaltungsgericht muss nun aufgrund der offen auf der Hand liegenden Mängel des Planfeststellungsbeschlusses dringend eine Entscheidung treffen. Insbesondere die fehlerhafte, da unvollständige Umweltverträglichkeitsprüfung, die fehlerhafte Beurteilung der Verträglichkeit der EUGAL mit der Windkraftnutzung im ausgewiesenen Windvorranggebiet sowie der akuten Gefahr eines signifikanten Schadensereignisses, der ungeklärten Haftungsfragen und der bereits jetzt bestehenden Beeinträchtigung der Windparks zählen zu den Mängeln des Planfeststellungsbeschlusses, ebenso wie die in unzureichendem Maße geprüfte umweltverträglichere Umgehung der Windparks Dörnthal/Voigtsdorf.“
Dr. Jana Pinka, umweltpolitische Sprecherin der Linksfraktion, stellt klar: „Eine baldige Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ist wünschenswert, um Klarheit für die Windkraftanlagenbetreiber zu schaffen und sinnlose Investitionen von EUGAL zu vermeiden. Die betroffenen Grundstückseigentümer und die Betreiber der Windparks haben Anspruch auf eine rechtsstaatliche Entscheidung. Ein Baustopp wäre eine sinnvolle Möglichkeit, bis zur endgültigen Klärung aller aufgeworfenen Rechtsfragen weitere vollendete Tatsachen zu vermeiden.“
Marco Böhme hat bereits das vorausgegangene Planfeststellungsverfahren kritisch im Landtag begleitet (Kleine Anfrage 6/14577). Er hat nun weitere Anfragen an das Wirtschafts- und Justizministerium gestellt und fordert Aufklärung über die Entscheidungen zum Trassenverlauf der Erdgasleitung EUGAL in Sachsen (Drucksachen 6/16979 und 6/16980). „Entweder wurde schlampig gearbeitet oder es stehen Internationale Bestrebungen vor den grundrechtlichen Interessen der Betroffenen. Beides wäre ungeheuerlich“, kommentiert er.
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