Seit Sonntagmorgen bin ich sprach- und fassungslos, ja wie gelähmt. Ich kann nicht begreifen, wie die Bundesregierung so unvorbereitet, so völlig planlos agiert. Seit Wochen warnt die deutsche Botschaft vor Ort von diesem Szenario. Mit dem Abzug der Bundeswehr muss doch auch die Sicherheit der dort befindlichen progressiven Menschen gewährleistet werden!
Bereits am 23.06.21 haben die Fraktionen der LINKEN und der Grünen im Bundestag die Evakuierung afghanischer Ortskräfte, Hilfsorganisationen und Bürgermeister in einem Antrag gefordert. Die Koalition & AfD haben dies abgelehnt, die FDP hat sich enthalten. Jetzt sieht man die fatalen Auswirkungen.
Der Abzug der internationalen Kräfte ist nach einem 20-jährigen Krieg eine Forderung, den auch DIE LINKE immer wieder hervorgehoben hat. Die sehr sehr große Mehrheit der afghanischen Bevölkerung forderte dies ebenso, auch um das eigene Land souverän regieren zu können. Aber: Natürlich kann ein Rückzug von Sicherheitskräften nicht einfach so und in dieser unüberlegten Art und Weise von statten gehen, wie es jetzt der Fall war und tausende Menschen, die an einem demokratischen Aufbau des Landes beteiligt waren, im Stich gelassen werden. Spätestens wo klar war, dass die Taliban die Kontrolle über weite Teile des Landes übernehmen kann, hätten sofort Ausreiseangebote angezeigt und auch sichergestellt werden müssen.
Die Worte von Armin Laschet „Ein 2015 soll sich nicht wiederholen“ während Menschen in Afghanistan ihre Freiheit, Zukunft und ihr Leben verlieren, ist so menschenverachtend, da fehlen mir die Worte…
Innenminister Seehofer hat noch lange nach dem Vormarsch der Taliban Menschen nach Afghanistan abgeschoben und dies auch begrüßt. Seit Jahren fordern wir den Stopp dieser lebensgefährlichen Abschiebungen. Spätestens jetzt muss dies Rückgängig gemacht werden und Geflüchteten aus Afghanistan auch in Deutschland eine neue Heimat angeboten werden.
Die Frage über den generellen militärischen Einsatz in Afghanistan ist eine sehr komplizierte Frage. Ein Blick aus dem Westen bzw. „unserem bekannten Kulturkreis“ ist da nicht immer hilfreich.
Was mich aber wirklich schmerzt, sind die viele Opfer welche diese Arroganz gefordert hat und jetzt fordern wird. „Wir“ sind zwar militärisch und wirtschaftlich „überlegen“, das ist aber völlig egal, wenn es am Ende kein Konzept gibt, wie Stabilität in einem Land ohne eine patriarchale und grausame Terrormiliz geben kann.
Die westlichen Konzepte sind imperialistisch und über die kolonialen Denkmuster wenig hinausgewachsen. Deswegen ist es nie richtig gewesen, Afghanistan aus Millitärcamps heraus zu entwickeln. Nach 20 Jahren Einsatz in einem Land, wo tatsächlich viele Menschen Hoffnung auf eine freie Gesellschaft hatten, ist dieser Traum nun zerplatzt.
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