Bahn-Land Sachsen auf dem Abstellgleis

In der von der Fraktion DIE LINKE beantragten Aktuellen Debatte zum Thema „Bahn-Land Sachsen auf dem Abstellgleis“ vom 16.03.2016 fordere ich mehr Investitionen in Bus und Bahn und ein Ende der Sparpolitik im öffentlichen Verkehr durch die Landesregierung:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Wir nähern uns mit der kommenden Haushaltsdebatte einem Schicksalstag für den ÖPNV in Sachsen. Das Bahn-Land Sachsendroht auf das Abstellgleis zu geraten oder rangiert zu werden.

Ich darf als erster Redner kurz in die Problematik einführen. Auf der Verkehrsministerkonferenz im Jahr 2014 haben sich die Verkehrsminister mit ihren Regierungs-chefs darauf geeinigt, dass 2015 8,5MilliardenEuro benötigt werden, um den ÖPNV in Deutschlandfinanzieren zu können. Diese 8,5MilliardenEuro sollen jährlich um 2,8% dynamisiert, also erhöht werden, um Trassen-und Stationspreise auffangen zu können, die die DB-Netze pro Kilometer und pro Station verlangt, die auch immer weiter steigen und womit sich die DB-Netze eine goldene Nase verdient.

So weit, so gut und auch so richtig und notwendig. Doch ein Jahr später, am 24.09.2015, haben sich die Länder, vor allem die ostdeutschen Länder, über den Tisch ziehen lassen. Das Ergebnis war: Statt der 8,5MilliardenEuro für 2015 waren es 8 Milliarden Euro, und die sollen auch erst 2016 kommen; statt 2,8% Dynamisierung nur 1,8% Dynamisierung, und die Sperrklinke, die verhindern soll, dass Länder ganz herunterfallen, die nämlich besagt, dass mindestens 1,25% der Mittelsteigerung in die Länder weitergegeben werden sollen, wurde komplett vergessen.

Das alles haben Sie, Herr Tillich, am 24.September mitgetragen und dem zugestimmt. Das hat nun fatale Folgen für den ÖPNV in Sachsen. Hinzu kommt die Tatsache, dass die vom Bund kommenden Regionalisie-rungsmittel, die Sachsenerhält, bisher noch nie komplett an die Verkehrszweckverbände, die den ÖPNV in Sachsenorganisieren, weitergegeben wurden. 2014 waren es gerade einmal 75% der Mittel, die die Zweckverbände am Ende von den Regionalisierungsmitteln gesehen haben. Das ist ein bundesweiter Negativrekord gewesen. Alle anderen Bundesländer haben bis zu 80, 85, ja sogar 91% der Regionalisierungsmittel der Zweckverbände weitergegeben und damit den ÖPNV ausreichend finanziert. Auch das muss hier in Sachsen endlich passieren.

(Einzelbeifall bei den GRÜNEN)

Sachsen ist ein Bahn-Land, wie ich eingangs sagte, und wir sollten es nicht, wie die CDU es möchte, zu einem Auto-Land machen. Dabei haben wir in Sachsenmit die niedrigsten Pkw-Zahlen pro Einwohner, nämlich gerade einmal 518 Pkws pro 1000 Einwohner. Zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern, wo es 517 Pkws pro 1000 Einwohner gibt, ist Sachsen damit das Flächenland, das von allen Bundesländern die niedrigste Anzahl von Pkws pro 1000 Einwohner hat. Gründe dafür sind unter anderem, dass es hier eine lange Tradition gibt, mit Bus und Bahn zu fahren. Aber auch ein gut ausgebautes Netz, das früher einmal viel dichter war, existiert in Sachsen noch. Viele Mittelzentren und die Großstädte Leipzig, Dresden und Chemnitz sind im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr dicht beieinander, was auch die Wirtschaftsstärke dieses Bundeslandes ausmacht.

All das droht hier zusammenzubrechen, wenn Sie nicht gegensteuern. Auch die Fahrgastzahlen haben sich in den letzten Jahren positiv entwickelt. 2001 hatten wir eine Milliarde Personenkilometer im öffentlichen Personen-nahverkehr. Dafür haben die Zweckverbände 300 Millionen Euro im Jahr vom Freistaat als Regionalisierungsmittel bekommen. 2015, also knapp 15 Jahre später, waren es schon anderthalb Milliarden Personenkilometer. Das ist eine Steigerung von 50%. Die Regionalisierungsmittel für die Zweckverbände sind aber nur um 33% gestiegen –trotz massiver Kostensteigerungen und dieser enormen Personenzuwächse im öffentlichen Nahverkehr. Das haben die Zweckverbände allein durch Optimierung, Erneuerung und Innovation erreicht. Dies droht nun, wie gesagt, zusammenzubrechen, denn weiter optimieren kann man nicht. Was nützt es, wenn wir die vielen neuen Strecken, den City-Tunnel, die vielen elektrifizierten Strecken, den viergleisigen Ausbau der S-Bahn in Dresden oder die Modernisierung in Hoyerswerda haben, wenn am Ende dort kein Zug fahren kann? Auch Aussagen des CDU-Kollegen Michel in der „Sächsischen Zeitung“ vom 1.Februar, dass die Leute doch auch künftig einfach Bus statt Bahn fahren können, führen zu Hass, zu Frust und zu Wut, die wir hier in Sachsen als Politiker täglich erleben. So eine Aussage kann auch nur von einem Autofahrer kommen. Jemand anders würde so etwas nicht sagen. Denn was es heißt, lange Strecken mit dem Bus statt mit der Bahn zu fahren, wird mein Kollege Horst Wehner im zweiten Redebeitrag ausführen.

… und noch ein mal zu diesem Tagesordnungspunkt:

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In meinem ersten Redebeitrag bin ich unter anderem darauf eingegangen, dass es geschafft wurde, in den letzten 15Jahren die Personenkilometer an Fahrgästen und Leistungen um 50% zu steigern, und dass wir nun vor massiven Finanzierungsengpässen stehen.

Auch Herr Wehner hat angeführt, dass es heute klasse Züge und klasse Personal gibt, das freundlich ist und hilft, aber am Ende hat der Bahnsteig oder die Unterführung nicht die richtige Höhe und es ist noch sehr viel zu tun.

Es darf nicht so sein, dass wir am Ende dieser Debatte, in den nächsten Monaten beziehungsweise in den nächsten zwei bis drei Jahren vor der Tatsache stehen, dass letzt-endlich nur noch S-Bahnen, der Regionalexpress Leipzig –Dresden und einige wenige andere Strecken übrig bleiben. Das ist mit den Finanzierungsverträgen in der ÖPNV-FinVO oder in den vertraglichen Bau-und Finanzierungsverträgen als Einziges zugesichert. Das müssen die Zweckverbände erfüllen und sie müssen immer mehr erfüllen, gerade im S-Bahn-Verkehr.

Das heißt, wenn Sie letztendlich Gelder einsparen müssen, stehen alle anderen Strecken zur Disposition. Das ist das Gefährliche, was passieren kann. Dort sieht es für den ländlichen Raum sehr finster aus. Nicht wir machen Panik, sondern die nackten Zahlen erzeugen Panik bei den Menschen.

Obwohl wir in Sachsen in den letzten Monaten einen Einwohnerzuwachs zu verzeichnen haben, sehen wir das immer noch nicht als Chance an. Die Strecken Aue –Thalheim, Sebnitz –Pirna, Freiberg –Holzhau sind nur die ersten Strecken, die mittlerweile bekannt sind und die die Zweckverbände in die Öffentlichkeit tragen. Das machen doch nicht wir oder die GRÜNEN,

(Andreas Nowak, CDU: Die Zweckverbände behaupten, es wäre die böse Presse!)

sondern die Zweckverbände legen den Finger in die Wunde und zeigen der Presse offen und damit der Öffent-lichkeit, vor welchen Herausforderungen sie stehen. Die Zweckverbände brauchen jetzt mutige Zusagen von der Politik. Jetzt beginnen die Ausschreibungen, die die Verkehrsverbände leisten müssen, um die Finanzierungs-pläne für die nächsten Jahre angehen zu können.

Unsere Aufgabe ist es jetzt, Vertrauen zu schaffen und Ängste abzubauen. Meine Fraktion hat diese Aktuelle Debatte auch aus diesem Grund beantragt, um der Staats-regierung und allen anderen Fraktionen die Möglichkeit zu geben, hier Stellung zu beziehen und den Zweckverbänden ein Zeichen zu geben, damit sie wissen, dass in den kommenden Jahren keine Strecken stillgelegt werden und Fahrgäste nicht mit höheren Preisen rechnen müssen.

Doch leider kam das von Ihnen nicht mehrheitlich hier im Haus. Bisher gab es auch noch keine öffentliche Verlautbarung der Staatsregierung, dass der Status quo in Sachsen erhalten werden soll, im Gegenteil. Am 22.Januar haben Sie, Herr Dulig, eine Pressemitteilung herausgegeben, in der Sie laut darüber nachdenken, dass es in Zukunft mehr Busverbindungen anstelle von Bahnverbindungengeben muss. All das senkt die Attraktivität und die Barrierefreiheit des ÖPNV, die generelle Annahme und den Versuch, Menschen vom Auto zu Bus und Bahn zu bringen.

Stattdessen verlautbaren Sie weiterhin, Herr Minister Dulig, Sachsen solle sich dafür einsetzen, dass bundes-weit mehr und besser Elektromobilität gefördert werden sollte. Gemeint sind damit Elektroautos. Es sollen Kauf-anreize von 5000Euro pro Auto vom Bund beschlossen werden. Das würde circa 4MilliardenEuro kosten, um dieses Ziel –eine Million Elektrofahrzeuge bis 2020 –zu erreichen. Dieses Geld ist aber dringend notwendig für das bestehende Elektroverkehrsnetz, nämlich die Eisen-bahn. Dort sollte man das Geld hineinstecken.

Zu der gesamten Problematik hat meine Fraktion bereits im Oktober einen Antrag im Wirtschaftsausschuss eingebracht und dazu gab es am 1.Dezember eine Anhörung. Das war der nächstmögliche Zeitpunkt nach dem Versa-gen der Ministerpräsidenten. Dort wurde von allen Experten bestätigt, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Es wurden viele Lösungsvorschläge vorgebracht, die wir in unserem Antrag stehen haben. Von den anderen Fraktionen kam dazu nichts.

Vor einem Jahr, im März 2015, hatten wir hier eine Debatte darüber, dass die Koalition eine Strategiekom-mission einberufen möchte. Das ist eine sehr gute Idee gewesen. Gnädigerweise wurde das Vorhaben geändert, dass nicht nur ein Vertreter des Landtags dabei sein soll, sondern alle Fraktionen. Das ist gnädigerweise passiert. Ich bin auch Mitglied der ÖPNV-Strategiekommission, aber ich kann nur sagen, wir haben jetzt ein Jahr lang genug gequatscht. Wir haben uns ein Jahr lang genug konstituiert (Andreas Nowak, CDU: Wir haben doch noch keine validen Zahlen!)

und Gruppen gebildet. Wir haben ein Jahr lang noch keine Ergebnisse gebracht und keine Ziele formuliert.

(Andreas Nowak, CDU: Wir haben alles zusammengetragen; das dauert!)

Wir können doch aber schon mal Ziele formulieren, Herr Nowak, was wir mit der Strategiekommissionerreichen wollen.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Sie stellen sich in der letzten Sitzung der Kommission am 2.März hin und verkünden, dass wir in den nächsten Jahren Ergebnisse aufzeigen wollen. Aber jetzt muss gehandelt werden.

(Andreas Nowak, CDU: Weil Sie jetzt handeln wollen; Sie kennen doch noch keine Zahlen!)

Jetzt muss den Zweckverbänden gesagt werden, dass sie Geld für die Zukunft bekommen und dass keine Strecken abbestellt werden müssen. Das muss jetzt passieren und nicht erst in ein paar Jahren, denn dann ist es zu spät.

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