Sachsenweite Grundversorgung im Schienenverkehr statt teurer Leuchtturmprojekte

Im Landtagsplenum vom 20.04.2016 ging es um einen Antrag der AfD-Fraktion zum Bundesverkehrswegeplan 2030. Für diesen können die Bundesländer Straßen- und Bahnprojekte anmelden, die dann vom Bund (theoretisch) realisiert werden. Je nach dem, welche Priorität der Bund diesen Projekten zuschreibt, werden sie dann auch tatsächlich umgesetzt. So wartet beispielsweise auch die Fernverkehrsverbindung Leipzig-Chemnitz seit der Wiedervereinigung vergeblich auf ihre Umsetzung. Doch statt eine sachsenweite Grundversorgung im Schienenverkehr zu fordern, setzt die AfD nur auf teure Leuchtturmprojekte:

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Herr Nowak, da scheinen Sie ja ganz schön viel Sekt im „Chiaveri“ zu trinken. Aber wir sind uns ja wohl alle einig, dass der Entwurf des Bundesverkehrswegeplans zu wenig Bahnprojekte für Sachsen enthält. Aber ich denke ebenso, dass damit die Einigkeit auch schon aufhört. Lassen Sie mich daher kurz umreißen, wo wir herkommen.

Im Jahr 2013 hat der damalige sächsische „Autominister“ Sven Morlok die Bahnprojekte für Sachsen beim Bund angemeldet. Sein Ziel war vor allem, so ließ er damals verkünden, das Projekt „Neubaustrecke Dresden–Prag“ im neuen Bundesverkehrswegeplan fest zu verankern, ähnlich, wie es die Staatsregierung heute tut. Außerdem wurde eine Vielzahl an Straßenprojekten angemeldet. Ein Großteil wird heute als förderfähig angesehen. Zeitliche Engpässe scheint es hier bei der Bewertung nicht gegeben zu haben.

Bei den Bahnprojekten hingegen hat der Bund anscheinend nicht so viel Arbeitsbegeisterung an den Tag gelegt. Nun hat er ja sogar eine ganz neue Kategorie im Bundesverkehrswegeplan erfunden, den sogenannten potenziel-len Bedarf. Das gab es früher nicht. Diese Projekte können anscheinend irgendwann einmal irgendwie in den entscheidenden Vordringlichen Bedarf aufsteigen –wie und wann dies geschieht, ist vollkommen unklar. An-scheinend haben sich die Damen und Herren in Berlin dabei aber etwas übernommen; denn eigentlich sollte der Entwurf ja schon 2015 vorliegen.
Wir sollten daher nun die Chance nutzen, um uns als Freistaat auf einige wenige Bahnprojekte der bisher nicht durchgeschlagenen sächsischen Projektliste beim Bund zu konzentrieren, nicht aber wieder alles mit einem Mal fordern, so wie es die AfD jetzt tut. Ziel muss doch zunächst sein, dass wir überhaupt über weitere Fernverkehrsstrecken und die Elektrifizierung unseres Netzes sprechen. Das ist auch dringend nötig.

Die Strecke Dresden –Prag beispielsweise, die auch die AfD als Ausbauziel fordert, gibt es grundsätzlich ja schon: über das Elbtal. Sicherlich ist die Strecke nicht zufriedenstellend, vor allem für die lärmgeplagten An-wohnerinnen und Anwohner, zu denen ich später noch etwas sage. Aber die Fernverkehrsstrecke Leipzig –Chemnitz gibt es heute, im 21. Jahrhundert und 26 Jahre nach der Wiedervereinigung, noch immer nicht. Dort müsste unsere ureigenste Priorität für Sachsen liegen.

Wir können doch nicht einfach daherkommen und sagen: Wir wollen alles haben. Genau das macht die AfD mit ihrem Antrag. Deswegen lehnen wir ihn ab. Weitere Leuchtturmprojekte braucht Sachsen nämlich nicht, zumindest so lange nicht, bis nicht das Mindeste –nämlich eine Fernverkehrsanbindung der drittgrößten Stadt und damit faktisch die Anbindung des Erzgebirges an den Fernverkehr –in Sack und Tüten ist. Die Strecke hat ja nicht einmal zwei Gleise –von den Zügen, die dort fahren, ganz abgesehen.

Jetzt kommt die AfD mit einem Antrag, der, wie gesagt, alles fordert. Sie haben es sich dabei sehr leicht gemacht. Sie haben einfach alle Projekte, die irgendwie wichtig erscheinen, in Ihren Antrag kopiert, und dann wissen Sie am Ende nicht mehr, was Sie wollen. Zum einen fordern Sie einfach, dass die Projekte in den Vordringlichen Bedarf oder in den Weiteren Bedarf kommen sollen. Ja, was denn nun? Wissen Sie eigentlich, was Weiterer Bedarf bedeutet? Das bedeutet faktisch „Resterampe“. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Projekte kommen, ist verschwindend gering. Solche pauschalen Forderungen sind aus unserer Sicht der falsche Weg, zumal Sie nicht einmal genau sagen, was Sie bei den einzelnen Projekten nun wollen. Die Option der „Resterampe“ schreiben Sie ausgerechnet auch bei den wichtigen Strecken Leipzig –Chemnitz, Dresden –Görlitz und Cottbus –Görlitz in Ihren Antrag. Sie sagen einfach: Macht mal was, wenigstens irgendetwas! –Uns ist das nicht genug; so schlau ist das Ministerium auch.

Aus unserer Sicht besteht jetzt aber die Chance, den möglichen Schaden, den der Größenwahn von Sven Morlok damals eingeleitet hat, abzuwenden, wie ich eingangs erwähnte. Dazu ist das Projekt der milliardenteuren Neubaustrecke Dresden –Prag zu hinterfragen und auch zu nennen, was in der derzeitigen Situation ein weniger sinnvolles Projekt darstellt. Dort werden nämlich mehrere Milliarden Euro für eine ausschließlich für den Fern-und Güterverkehr genutzte Strecke mit einem über 20 Kilometer langen Tunnel durch das Gebirge verlangt. Das ist Leuchtturmpolitik pur. Wenn das wirklich so wichtig scheint oder ist, dann wird der Bund es auch von sich aus als wichtig erachten, entscheiden und finanzieren, damit es sich in die Transeuropäischen Netze einordnet. Da braucht Sachsen gar nicht zu betteln.
Wissen Sie, wie viele Strecken Leipzig –Chemnitz man für die Summe für Dresden –Prag zweigleisig ausbauen könnte? Man könnte dafür vier bis fünf Mal Leipzig –Chemnitz zweigleisig elektrifiziert ausbauen. Hier wird einfach gesagt: Wir wollen trotzdem alles andere machen, inklusive des Gebirgstunnels. Das geht so nicht, meine Damen und Herren, das geht so nicht. Deswegen lehnen wir das ab.

Weiter schrieben Sie vor ein paar Tagen in einer Pressemitteilung, werte AfD, dass Sie keine Leuchtturmprojekte wollten –da ging es um das Straßennetz. Trotzdem haben Sie hier in Ihrem Antrag gefordert, dass wir einen 20 Kilometer langen Tunnel durch das Erzgebirge immer noch priorisieren und weiterhin fordern sollen. Daher kann ich Ihre Pressemitteilung und Ihre Aussage, dass Sie keine Leuchtturmprojekte fordern, nicht nachvollziehen. Ja, Lärm ist im Elbtal ein Problem. Das muss auch angegangen werden. Das Projekt „Tunnel nach Prag“ wird aber frühestens in 20 Jahren fertiggestellt sein. Bis dahin müssen wir uns auf Bundes-und EU-Ebene für einen besseren Lärmschutz eingesetzt haben, zum Beispiel, indem die Verursacher mehr bezahlen, also lärmschutz-orientierte Trassenpreise bei den Zügen ausgeweitet werden oder auch Nutzungsverbote für laute Güterzüge ausgesprochen werden. Das hilft den Betroffenen entlang der überlasteten Strecken.

Aber zurück zum Antrag und zu dem, was ich eigentlich sagen will. Wir müssen hier offensichtlich neu priorisieren und für uns festlegen, was am wichtigsten ist. Das haben wir mit unserem Antrag der LINKEN, Drucksache 6/4590, für die Strecke Leipzig –Chemnitzgetan. Er wurde Ihnen vor einem Monat hier im Plenum ausgeteilt. Frau Grimm, es ist nicht so, dass das nur ein Berichtsantrag ist; darin gibt es auch Abschnitt II, der zu konkretem Handeln auffordert. Denken Sie einmal an die anderen Bundesländer. Meinen Sie nicht, dass auch die unzufrieden sind und nun alles daransetzen, dass ihre Projekte durchgesetzt werden? Der Bund wird nicht alles finanzieren können und auch nicht wollen.

Nein, wir müssen unsere Forderungen aus sächsischer Sicht noch einmal schärfen. Ich weiß, die Staatsregierung wird mir wahrscheinlich gleich erzählen, dass eine neue Priorisierung nicht geht. Formal wird das wahrscheinlich richtig sein, aber natürlich kann man in Berlin auf den Tisch hauen und sagen, dass es nicht sein kann, dass wir nach 26 Jahren Einheit noch keinen Fernverkehr im Herzen Sachsens haben. Wo leben wir denn?

Wenn ich Sie wäre, Herr Dulig –wo auch immer er ist –, würde ich mich mit Ihrem Bundeswirtschaftsminister, Ihrem Vizekanzler, Ihrem Parteigenossen Sigmar Gabriel treffen und ihm vermitteln, dass der Ausbau der Strecke Leipzig –Chemnitz hier in Sachsen wichtig und prioritär ist, ja faktisch ein Politikum. Wir sollten das Ganze am Ende nicht faktisch einem CSU-Minister überlassen –ob die Strecke kommt oder nicht.

Wäre ich in einer der beiden Koalitionsfraktionen–was ich zum Glück nicht bin–, so würde ich mich auch darüber streiten, wer nun offiziell dafür verantwortlich ist, dass Chemnitz endlich ein Erfolg wird. Dort müsste doch die Priorität liegen, ebenso wie bei der Ausbaustrecke von Görlitz nach Polen. Dort gibt es nämlich auch noch keine Überleitungen und damit keine attraktive Verbindung in unser Nachbarland. Nach Prag, nach Tschechien gibt es das schon.

Deswegen sollten wir nicht bei irgendwelchen Prestigeprojekten, die erst irgendwann nach 20 Jahren kommen und Milliarden verschlingen, die Hand aufhalten und den Druck erhöhen, sondern endlich konkret für die Menschen im Hier und Jetzt da sein. Sie haben unsere Priorisierung gehört, liebe Damen und Herren von der AfD. Wir haben einen eigenen Antrag im Geschäftsgang, der sich im Wirtschaftsausschuss um die Strecke Leipzig –Chemnitz bemüht.
Sie von der AfD winken einfach nur die damalige Liste von Sven Morlok aus der letzten Legislatur weiter und möchten, dass sich der Freistaat pauschal für alles einsetzt und nicht einmal konkret –inklusive dieser „Resterampe“. Wir hingegen sehen die Chance, mit dem Größen-wahn aufzuräumen und sich endlich für die wichtigen Bahnstrecken einzusetzen.

Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.